Donnerstag, 31. Juli 2014

Pannonien am Tor zur nassen Hölle

Hallo,

Eingangs ein kurzer Absatz zur eigenen Situation. Es fällt mir von Mal zu Mal schwerer, neben der Arbeit noch die Zeit und Energie zum Verfassen von Einträgen hier aufzubringen. Zum Teil gibt das Wetter nicht immer etwas her, über das es zu schreiben lohnt, zum anderen möchte ich auch nicht über Dinge schreiben, die ich in der einen oder anderen Form schon in den letzten 3, 4 Jahren beschrieben habe. Zum wichtigsten Punkt, ich bin wirklich müde geworden .. und da spielt es schon mit hinein, das 10 Jahre Selbständigkeit mit der Firma nicht das Zuckerschlecken darstellen, das sich manche vorstellen und eine geringe Blogfrequenz ist nur ein Symptom dieses Zustandes.

Egal.. zum konstruktiven... :-) 



Es gibt Ereignisse, die mich doch noch hinter dem Ofen hervorlocken. Ein solches Ereignis fand gestern am 30. Juli  statt.


  • Opfer: Das Burgenland, Niederösterreich (Wien) und Westungarn
  • Delikt: Überschwemmungen und rekordverdächtige Anzahl von Blitzentladungen
  • Täter: Ein Höhentief über der Adria
  • Motiv: Unbekannt
  • Waffen: CAPE, PWAT, geeignetes Windfeld.


Zahlen:



Knapp 150.000 Entladungen im Bildausschnitt im Zuge des Ereignisses (Ein einzelner flackernder Blitz kann aus mehreren, bis zu 10 Entladungen bestehen)



Man sieht in einem Streifen von Lutzmannsburg im Bezirk Operpullendorf über Sopron bis zum Neusiedlersee und dem Seewinkel Regensummen von 60 (St. Margarethen lt. Lukas Kugler) bis 121mm (Mörbisch), die im Zuge schwerer Gewitter am Mittwoch Nachmittag gefallen sind. Die neue Station der ZAMG in Podersdorf hat sogar lt. Zamg Grafik 160mm gemessen:


(jetzt wissen wir wenigstens dass es eine neue Station gibt , das ist aber eine andere Geschichte ...). Diese Spitzenwerte bewegen sich im Bereich von 20-27% der durchschnittlichen Jahresniederschlagsmenge über dem Neusiedlersee, gefallen im wesentlichen innert 6-8 Stunden.

Der Tatablauf stellte sich aus der Sicht von Satellit, Radar und Blitzmessungen so dar:

























 Die Serie zeigt den Anfang der Ereignisse ziemlich genau zu Mittag über der Hansag an der österreichisch/Ungarischen Grenze. In mehreren Würfen wabern die Zellen nach Norden und Westen (linksausscherend). Gegen 14:30 bildet sich auch über dem Nordosten Wiens eine giftige Zelle. Allmählich rollt dann Richtung Spätnachmittag und Abend eine Blitzwalze aus Kroatien kommend über Ungarn, Slowenien und schließlich das Burgenland nach Norden und kommt erst über dem südlichen Mähren zum Erliegen .. spätnachts.


In der Animation:

sowie im größeren Zusammenhang:




Motiv und Werkzeug. Was wir hier gestern erlebt haben ist keinesfalls unter *Sommergewitter* abzutun, das waren extreme Unwetter von dem selben Typ, wie sie die Tage zuvor auch über Deutschland zu sehen waren (Hier gab es z.B. in Münster mit bis zu 200mm noch extremere Regenmengen). Das Extrem dieser Gewitter manifestierte sich nicht in der Größe, nach der Chaser/Spotter normalerweise gieren, in der Scherung:


Denn diese war bei Boden- und 500 hPa Wind von ca 10 Knoten aus Süd bis Südost vernachlässigbar.

Cape: Sehr brauchbar...

PWAT: EXTREM, wie der Modellaufstieg von Eisenstadt um 15Z zeigt:


PWAT, also das in der Säule ausfällbare Wasser erreichte den unglaublichen Wert von 48 L/m², CAPE um die 1500 bis 2000 J/kg. Der Blick auf die PWAT Karte im Raum:


offenbart die Präsenz dieser gefährlich hohen Werte über 30 in weiten Teilen Mittel und Zentraleuropas. Ein PWAT von 48 heißt in diesem Falle nicht, dass maximal 48mm Regen fallen können, da ein Gewitter durch das Einsaugen von Luft aus einem größeren Einzugsgebiet die denkbaren Mengen lokal potenzieren kann, womit man nicht so schwer auf punktuell 200 mm Niederschlag kommt.

Die Geschichte dieser unglaublich feuchten Luftmasse ist eine Geschichte der fehlenden Frontdurchgänge in zentralEuropa in der zweiten Julihälfte. Schon lange nicht mehr hat uns eine atlantische Kaltfront mit frischem Meereswind beglückt, statt dessen schaufelt seit einer Wocher unablässiger Südwind feucht-warme Mittelmeer und Adrialuft zu uns, was zu ständig steigenden PWAT Werten geführt hat.

Der Anfang... Gab es einen Urgrund, warum genau an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn diese quasi stationären Zellgebiete getriggert wurden ?

Nun, vielleicht war es kein Zufall, man findet in diesem Bereich in den Modellfeldern am Vormittag eine leichte Konvergenz..



  .. sowohl von der Richtung her, als auch von der Geschwindigkeit her sieht man das hereinrücken eines 15kt Windfeldes aus OSO von Ungarn her, während z.B über dem westlichen Niederösterreich der Wind schwächer ist und dort auch mehr aus SO weht. Zwar ist die Krümmung antizyklonal, Konvergenz bleibt aber Konvergenz. Viel mehr Ursachenforschung kann man nicht betreiben, denn bei einer derart gesättigten feuchtlabilen Luftmasse reicht schon der kleine Grund zur Auslöse hochreichender Konvektion.

Abschließend noch ein Blick auf das Modellverhalten... wie haben die Modelle dieses Ereignis gehandhabt.

ich vergleiche mal die 00 Uhr Läufe von GFS, EZ, und RACE




(Mengen *10 nehmen für Angabe in mm) Es möge sich jeder selbst ein Bild machen, aber im GFS wäre kein Konvektionsschwerpunkt ausmachbar gewesen, in EZ und RACE findet man eine gewisse Indikation. Aber, und jetzt hier mal ein Ergebnis aus der Forschungsküche, mit Hilfe von variationeller Datenassimilation im Kurzfrist-Prognosebereich kann man die Modellvorhersage schon sehr in die Nähe dessen führen was bei solchen massiven Ausbrücken von Gewittern denn so alles passieren kann. Ich demsontriere das an den Simulationen der 12h Niederschlagsmenge eines stündlich gecycelten und mit Radar/Stationen gefütterten RACE: (Zur Hilfe: Die Karte für die Summe bis 17 UTC (19 Uhr) stammt von der =5Z Initialisierung (also 07 Uhr früh)













Hier ist dann doch das Heranführen an die Wahrheit schön erkennbar... vor allem deutlich ist der Effekt als gegen 15 Uhr der Kroatienexpress in die Domäne tritt... die Niederschlagsvorhersage explodiert.... und auch das Ausgreifen nach Wien ist gegenüber der nichtvariationellen Variante von RACE ab einem Zeitpunkt well ahead erkennbar.

Alles in allem ... dass Gewitter auftreten werden in dieser Region war kein Wunder. Dass sie über enormes Gefahrenpotential verfügen war kein Wunder. Dass Modelle mittlerweile , wenn man sie nur gut lenkt auch im Bereich der Lokalisierung der Konvektion brauchbare Ergebnisse liefern ist gut. Das mehr oder weniger halb Pannonien unter Wasser steht ist ... nicht gut.

PS... ein Ereignis das ich nicht mehr covern kann, das aber auch von EC/RACE gut vorhergesagt wurde, waren extreme Regenfälle in den Kalkalpen und Hohen/Niederen Tauern zwischen dem Karqwendel und dem Totengebirge... 100mm in 12h und mehr entstammten hier dem gemächlichen Auspressen der Gewitterleichen aus dem Osten in der auf Nordost und Nord drehenden Tiefrückseitenströmung.

LG

Manfred