Montag, 19. November 2012

Xynthia - reloaded ?

Hallo,

manchmal spielt einem der Zufall wohlwollend in die Hände, zumindest, was die Modellprognosen angeht. Habe ich im letzten Eintrag auf die wichtige Rolle von trockenen Zungen in der oberen Atmosphäre für die Intensivierung von Zyklonen hingewisen, so bin ich doch mangels passender Großwetterlage ein Beispiel schuldig geblieben.

Mit den Mittagsläufen der *Big 2* kam aber auf einmal ein Paradebeispiel über dem Atlantik ins Spiel, ein System, dessen Entwicklung und entwarnenderweise Nicht-Entwicklung sicher so manche Meteorologen vor allem in Spanien Portugal und Frankreich sicher mit Argusaugen verfolgen werden.


Hier wird es geboren...


Ihr seht nichts ? Richtig, denn da braucht man schon das Vorwissen, was denn da am Freitag, also nur knapp 60h nach dem ersten Bild über der Biskaya passieren soll:


Ein knapp unterschwelliges Orkänchen kreiselt da auf den Westen Frankreichs zu. Von diesem Bild bin ich rückwärts auf die Suche nach den Wurzeln gegangen und habe sie in 2 Systemen identifiziert..



... Unter dem schwarzen Kreis sieht man eine Schwache Bodenwelle, die sich an einer Warmfront einer halbsubtropischen Zyklone außerhalb des Ausschnitts gebildet hat. Unter dem Roten Kreis befindet sich ein Höhentrog, angefüllt mit eiskalter, trockener Luft, der an sich nichts mit dem ersten System zu tun hat, aber geradewegs darauf zusteuert.

Schauen wir uns die Animation von Bodenwind und Bodendruck ab diesem Zeitpunkt an:


Man sieht, wie sich die zunächst sehr unscheinbare Welle auf dem Weg nach Osten (bei hoher Zuggeschwindigkeit) im Modell rasch zu einer kleinräumigen, aber nichts desto weniger intensiven Sturmzyklone intensiviert.

Nun kommt der Clue... schauen wir uns die Angelegenheit (selber Ausschnitt, selber Zeitraum) mit den neuen Feuchtekarten im 500 hPa Niveau an:




Man sieht, dass der herannahende Höhentrog, manifestiert durch trockene Luft scheinbar einen Keil aus der Feuchtemasse der ursprünglichen Warmfrontwelle herausschneidet und das Ganze sehr rasch zu einer typischen Spiralform einer gut entwickelten Zyklone vor der Westküste Europas führt.

Das ist ein bisschen bilderbuchmäßig, nicht gerade Märchenstunde, aber trifft jedenfalls den Kern der Entwicklung nicht ganz. Es ist eine optische, keine dynamische Analyse.


Schauen wir uns einzelne Stationen auf dem Weg vom Band zur Spirale an.

1)



Zu Beginn sieht man erstmal, wie am westlichen Bildrand eine Zunge trockener Höhenluft auf das feuchtegebiet der Welle zusteuert.


2)




30 Stunden später die entscheidende Phase. Die Welle wurde in die Vorderseite des Troges aufgenommen, die Systeme sind vollkommen miteinander verschmolzen. Man sieht, dass knapp vorderseitig der Trogachse enorme Unterschiede in der Feuchte auftreten, und diese Unterschiede sind im Unterschied zum ersten Bild nicht mehr parallel zur Strömung (symbolisiert durch die blauen Isohypsen) sondern normal darauf angeordnet.


3)

weitere 18 Stunden später wird der Weg ganz klar:


Der Trog wird schärfer und schärfer, an seiner Südflanke prescht die trockene Luft weit nach Osten vor, weil dort die Windgeschwindigkeit am höchsten ist (Jet), während näher an der TRogachse bzw. nahe des Zentrums des sich entwickelnden Höhentiefs die Feuchte Luft zurückgehalten wird, es ensteht eine ganz klassische Hammer/Amboßform.... (Kenner des Blogs wissen eh schon, was jetzt folgt)

4)


Wir enden mit der optischen Erscheinungsform einer markant ausgeprägten Shapiro-Keyser Zyklone, wobei sich in 500 hPa jetzt schon ein eigenständiges Zirkulationszentrum (Höhentief) ausgebildet hat, um das sich die feuchte Luft kringelt (Okklusionsfront des Tiefs). Zwischen Okklusion und Kaltfront prescht die Zunge trockener Luft sehr weit nach Osten und Nordosten vor und wird allmählich in die gesamte Zirkulation um das Zentrum herum eingebunden.

Dieser Bereich ist besonders *gefährlich*:


Gerade in diesem Bereich der hereinpreschenden, trockenen Höhenluft ist die Windgeschwindigkeit in den unteren Atmosphärenschichten besonders groß, ich habe beispielhaft 850 hPa gewählt. Es handelt sich um einen Sting-Jet (Sting=Stachel), der vielleicht in 500 hPa eher wie ein Stachel, da weniger gekrümmt als in 850 hPa aussieht:



Was hier im Bereich des Sting-Jets, der mit dem Eindringen trockener Luft in die unteren Atmosphärenschichten verbunden ist passieren kann ist folgendes: Etwaige, vorhandene tiefe und mittelhohe Bewölkung kann in der trockenen Luft regelrecht verdunsten, Verdunstungskühlung setzt ein, damit verstärkte Abwärtsbewegung und ein heruntermischen des Impulses der oberen Luftschichten zum Boden.

Genau dieser Sting-Jet war das Markenzeichen der herben Xynthia Ende Februar/Anfang März 2010:




.. freilich keine eindrucksvolle Zyklone, wenn man sich den Kerndruck allein mit *lediglich* um die 980 hPa ansieht, wohl aber eindrucksvoll bzw. furchterweckend bei der Spur der Verwüstung, die Xynthia durch Teile Portugals, Spaniens, Frankreichs und Deutschlands gezogen hat. Jedenfalls, vergleicht man die Entwicklung von Xynthia damals mit der aktuell prognostizierten, erkannt man eklantate Parallelen, sowohl was die Entstehung (Ort/Art), als auch was die Bahn, die Ausdehung und die Intensität angeht.

Natürlich, wie immer, muss noch viel Wasser den Golfstrom nach Osten fließen, und das Änderungspotential der Vorhersagen ist bei solcher Dynamik auf 5 bis 6 Tage enorm, will ich nur gesagt haben.


Zusammenfassend. Wie jedes konzeptionelle Modell hilft uns jenes der SHPK oder RC lediglich visuell sowie phänomenologisch zu verstehen, was an Dynamik in der Atmosphäre geschieht. Schlampigerweise wird in Zusammenhang mit der RC oft die Diktion verwendet, dass die trockene Luft (dry intrusion) einen keil in die Bewökung schneidet und so sehr schnell die Spiralform  auf die Satbilder bringt. Das ist natürlich nicht so, da dieses Beispiel zeigt, wie wichtig auch in diesem Fall die Intensivierung der Zirkluation in der Höhe (Bildung eines Höhentiefs) für die Spiralform ist. Am Ende des Tages geht wie immer in der Dynamik, alles Hand in Hand, die Prozesse laufen parallel und bedingen einander (gekoppelte DGL*s), es ist unmöglich sich den Wasserdampf herauszupicken und ihn als Verursacher hinzustellen, allerdings ist er ein genialer Tracer um zu verstehen, was im Rahmen einer solchen Zyklogenese so abgeht...


Lg

Manfred



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