Dienstag, 6. März 2012

CAPE und CIN oder das Gleichgewicht des Schreckens

Hallo,

nach wie vor befindet sich Mitteleuropa im Sumpf, deswegen kann ich meinen kleinen Exkurs von gestern ein bisschen vorführen, um noch ein bisschen mehr über den Treibstoff der Konvektion zu elaborieren ... nicht aber ohne zuvor den Sumpf zu kommentieren. Die Lage:


Rund um uns befinden sich eine reiher toter oder halbtoter Frontensysteme. Das interessanteste ist noch das Überbleibsel der Okklusionsspirale über Benelux, es hat ja, wie den Nachrichten zu entnehmen war in der Region um Lille (Nordostfrankreich) für ein veritables Verkehrs- und Stromchaos durch etliche cm nassen Neuschnee gesorgt. Von gewisser Bedeutung ist das Frontensystem, das über dem Atlantik Form annimmt, denn es wird dem Sumpf Richtung Donnerstag ein markantes Ende setzen... nachfolgend kommt - hinter einem halbwinterlichen Intermezzo zum Ende der Woche - der Frühling hereingerauscht .. mehr dazu vielleicht morgen.

Um die Angelegenheit von gestern etwas zu vertiefen, möchte ich mich heute nur auf CAPE und CIN, und , vor allem wie sie zusammenhängen eingehen. Zur Erinnerung: CAPE denotiert das Maß an Energie einer Luftsäule, das für vertikale Umlagerungen, also z.B beschleunigtes freies steigen, genutzt werden kann. Ohne hier zu weit in die Theorie zu gehen können wir glaube ich unwidersprochen feststellen, dass CAPE der Diesel des Konvektionsmotors ist.

Da die Analogie zum Motor gar nicht so schlecht ist, kann  man diesbezüglich CIN als die Barriere beim Anspringen eines Motos interpretieren, die mittels Batteriestrom überwunden werden muss, um den Motor in Gang zu bringen (Reibung und Trägheit der Kolben ..). Sind erst einmal die 800 bis 1000 RPM erreicht, langt die Dieselzufuhr im Standgas aus, um das Werkel am Laufen zu halten.

Das ist gut so, denn Motoren, die von selbst zu laufen beginnen, sobald nur Diesel in die Kolben kommt, wären relativ unsicher und Diesel selbst wäre eine höchst explosive und nicht menschenmöglich-sicher handhabbare Flüssigkeit...

Beim Wetter ist es nicht anders. In der allermeisten Fällen hat die Natur einen Sicherheitsmechanismus eingebaut, der CIN heißt, damit enorme CAPE Werte nicht urplötzlich und instantan in Konvektion umgesetzt werden können und nicht permanent Landstriche verwüstet werden. Soll heißen:

- Hohe Cape ist meist mit starkem Deckel verbunden, der nur schwer überwunden werden kann
- Niedrige Cape ist oft schwach gedeckelt und ist daher das Futter für die meisten Gewitter.

Die Mehrzahl aller Gewitter ist vergleichsweise schwach und nur die seltenen Exemplare, die in einer Umgebung mit hohem Cape und nennenswerter Scherung nach Überwindung des Deckels entstehen, schaffen es in die Schlagzeilen.

CIN und CAPE befinden sich also in den meisten Fällen in einem dynamischen Gleichgewicht. Viel mehr noch. Sie bedingen einander. Damit sich hohe CAPE Werte über Stunden, oder sogar Tage aufbauen können, muss nennenswerter CIN die Konvektion über die gleiche Zeitdauer unterbinden. Denn: Konvektion ist die Reaktion der Natur zum Abbau der CAPE und zur Herstellung stabiler Verhältnisse.


Schauen wir uns so ein gesundes Gleichgewicht an:


Es handelt sich um den Radiosondenaufstieg von Wien vom 21.6.2007 um 02 Uhr in der Früh. Es ist ein extremes Sounding. Oberhalb der Grenzschicht lagern extrem labile Luftmassen. CAPE beträgt mehr als 1600 J/kg, diese sind aber von -100J/kg CIN gedeckelt und diese können mir nichts, dir nichts nicht einfach überwunden werden, schon gar nicht in der Nacht. Daher ist es nahezu wolkenlos.

12 Stunden später...


... ist der Abzug aber schon ganz stark gespannt. Zwar hat es in den unteren Schichten föhnig abgetrocknet, der Föhn hat die Bodentemperatur aber auch auf 36° getrieben. der Rückgang der Feuchte führt zwar zu einem Rückgang der CAPE auf *nur* noch 1340 J/kg,  da es aber bis 750 hPa trockenisentrop durchmischt ist, ist auch CIN auf -38 gestiegen, da fehlt nicht mehr viel und der Deckel ist weg.

Tatsächlich kostete ein Squallinedurchgang 2 Stunden später 3 Menschen allein in Wien das Leben, bei Windböen bis 146 km/h kam es ausserdem zu großen Sachschäden. Es ist dies der seltene Fall des schwach gedeckelten, hohen CAPE, ein brandgefährliches Sounding.


Ein anderes Beispiel für ein brandgefährliches Sounding, diesmal aus Australien:


Es ist ein klassisches Superzellensounding in der Tornado-Alley Australiens an der Ostküste. In der Höhe trockene, extrem labile Outbackluft, die mit kräftigem Westwind zur Küste transportiert wird, am Boden Seewind und daher in einer dünnen Schicht von 600m Dicke kühlere und feuchtere Verhältnisse. CAPE erreicht mehr als 2000 J/kg. An der Seewindfront entwickelte sich zu dieser Zeit 30km landeinwärts eine Superzelle...


 Gehen wir zu einem typischeren Fall und zwar zum 8. Juni des letzten Jahres..


Ein durchwachsener Tag. Die Feuchte ist relativ hoch, CAPE bei etwas über 100, CIN bei 40. Etwas Sonnenschein unmittelbar nach dem Sondenaufstieg reichte aus, um den schwachen Deckel zu zerstören, CAPE stieg auch etwas an, und so kamen ca. 300 J/kg zur Auslösung. Das Resultat waren ortsfeste Gewitter mit lokal enormen Regenmengen (siehe PWAT = 36), aber die Dynamik war gering und abgesehen vom Regen ist nichts passiert.


Zusammenfassend: Hohe Cape-Werte kommen fast immer nur in den Endzügen eines vormals starken Deckels zur Auslösung (frei nach dem Motto: Gut Ding braucht Weile). Es sind dies die Lagen, deren Auswüchse es in die Medien, Foren und Chroniken schaffen. Die meisten Gewitter in unserer Gegend sind Low-Cape/Low CIN Kompromisse und demnach die Otto-Normalverbraucher.

Lasst Euch also nicht mehr von 2500 J/kg CAPE beeindrucken, wenn Euch die Informationsquelle nicht auch gleichzeitig sagt, wie stark der Deckel ist ;)

Lg

Manfred

1 Kommentar:

Da kenntat ja jeder kumman ...! Dennoch ... Hier ist Platz dafür :) !