Sonntag, 15. Mai 2011

Rückschau Schwergewitter & Tornado Müllendorf am 14.5 in Ostösterreich

P.S Änderungen im Text aufgrund der neuesten Erkenntnisse (mind. 1 Tornado + ein Zweifelsfall zwischen Tornado und Gustnado sind im Text KURSIV dargestellt) 

Hallo,

ich denke, vielen Leserinnen und schwer geneigten Lesern ist es nichts neues, dass es gestern schlussendlich dann in der Osthälfte der Alpenrepublik gscheit gebumpert hat.   Neben Überschwemmungen und orkanartigen Böen trat dabei nahe Müllendorf in der Eisenstädter Pforte auch (mindestens) ein Tornado  auf, wie auf desem YouTube Video zu sehen ist:

Zum Video !





Credits to:

 
Neben diesem schweren Gewitter, auf das ich Nachgang näher eingehen werde, gab es eine weitere sehr giftige Zelle in der Oststeiermark bzw. im Südburgenland, des weiteren gab es mit dem Kaltfrontdurchgang schwere Sturmböen in Innsbruck, und bis dato starken Regen mit Summen über 50mm/12h im Bereich des Bregenzerwaldes und Bodensees. Da kommt schon ein wengl was zusammen !

Wie stellt sich das Ganze auf der Blitzanimation und im Radar dar ?

Zunächst mal der Radarloop





Blitze:



Man sieht, wie zunächst die Radarreflektivitäten der Konvergenzlinie (siehe Posting von gestern Samstag) in Westösterreich dominieren und langsam nach Osten wandern. Auffallend ist schon beim bloßen Hinsehen die Drehung der Radarechos. Da ist zyklonale Strömung im Spiel. Im Weiteren sieht man ein nächstes rotierendes Echo aus Südwesten Richtung Murtal ziehen. Nördlich von Zeltweg setzt an diesem Echo Konvektion und Gewittertätigkeit in Linienform ein. Die Drehung des gesamten Komplexes verschärft sich und es bildet sich eine Kommastruktur, mit der Hauptaktivität am vorderendigen Spiralarm. Beim Übertritt ins Wiener Neustädter Becken intensivieren sich die Echos dramatisch, im gesamten sich drehenden Komplex bildet sich am Südostrand ein weiteres, kleines und mesoskaliges Drehzentrum. Über Eisenstadt entsteht ein nierenförmiges Bow-Echo, das später und unter Aufweitung über den Neusiedlersee nach Nordosten zieht, danach unter Abschwächung Österreich verlässt.

Schauen wir uns die spektakuläre Entwicklung der Eisenstädterin im Zoom an:





Jetzt werden Details sichtbar. Man sieht dass der ganze Komplex ausflussgetrieben ist. Über Wiener Neustadt stirbt die ursprüngliche Zelle, während sich an der Böenfront nahe Ebenfurth eine neue Linie bildet, die dann gen Müllendorf und Eisenstadt zieht, die Nierenform kristalliert sich ab Großhöflein heraus. Spekulationen über eine Meszyklone und damit einen potentiellen Superzellentornado bei Eisenstadt muss man hier skeptisch gegenübertreten (mangels anderer Beweise), da man immer die zuerst die einfachtste Möglichkeit in Betracht ziehen sollte. Die Nierenform ist Ausdruck einer orkanartigen Strömung nach Nordosten, sie wölbt das Echo auf. Und dass hier extremer Sturm im Spiel war, zeigt die Analyse der 10-minütigen Datenreihe von Eisenstadt:




In Rot die orkanartige Böe aus Süden um 14:27, im Magenta der Temperatursturz, in Blau der Drucksprung und in Grün der Regen/Hagel .. 28mm/20 Minuten.

In der Literatur findet man den Begriff des Gustnados ... einer tornadoähnlichen Struktur, die sich am Rand schwerer Gewitter mit heftigem Ausfluss bilden können. Siehe: WIKI_GUSTNADO.  das Prinzip ist einfach: Vorhandene vertikale Vorticity wird an Squallines durch die Hebung der Warmluft aufkonzentriert, es bilden sich Wirbel. Merkmal eines Gustnados, der meist F0 oder F1 Stärke erreicht, ist, dass er nicht sichtbar mit der Wolke verbunden ist, es gibt keinen Funnel. Die erste Struktur im Video könnte also ein Gustnado sein, oder ein Tornado, bei dem aufgrund der Videioqualität die Verbindung zur Wolke nicht sichtbar ist. 

Der zweite Funnel ist im Müllendorfer Video für einige Sekunden gut zu sehen. Das heisst man muss hier jedenfalls eine Klasse höher gehen. Nach dem selben Gustnado-Prinzip können sich an Squallines auch (nicht superzellige) Tornados bilden. Wiederum ist es Konzentration vorhandener vertikaler Vorticity an Böenfronten schwerer Gewitter. Sie haben normalerweise kürzere Lebensdauer als Superzellentornados und erreichen meist F0 oder F1 auf der F-Skala. Ohne weitere Bilder zu haben, würde man in diesem Fall einen Typ2 Tornado vermuten, Unterklasse Squallinetornado.


UPDATE: ich darf an dieser Stelle auf die Ausführungen von Daniel Loretto, die er als Kommentar auf der wetterinfos Facebookseite getätigt hat, zitieren, die plausibilisieren, dass es Beides gab: Einen Gustnado und einen Tornado:

Daniel Loretto
Es dürfte sich ziemlich sicher um 2 Ereignisse handeln, denn die Aufnahmen wurden vom gleichen Standort aus gemacht und es ziehen 2 "Wirbel" in Folge vorbei. Zuerst der erste Wirbel, dann der Kameraschwenk nach rechts zu dem Tornado, der eine Verbindung zur Mutterwolke hat und dann zieht auch dieser vor dem Beobachter vorbei.

Beim ersten Wirbel ist keine Verbindung zur Mutterwolke zu sehen, könnte ein Gustnado sein, oder aber auch ein nicht ganz auskondensierter Tornado. Oder auch hier war er nur schwach sichtbar und der Beobachter war zu nah dran, um den ganzen Tornado filmen zu können.
Der zweite ist meiner Meinung nach ein Tornado, die Verbindung zur Mutterwolke ist auch am zweiten Video, das es gibt, ist eindeutig:

http://www.youtube.com/watch?v=2ddlDPB89Tw&feature=player_embedded


Damit war die Auswirkung des Kommas noch nicht zu Ende. Am Kommaschwanz, der eine Grenze zwischen der Warmluft im Süden und der Regengekühlten Kaltluft im Norden markierte, bildeten sich alsbald über dem Steirischen neue Zellen, eine davon war ein spekatuklärer Right-Mover .. bzw. eine Rightmoverin:



Im Unterschied zur Eisenstädterin bildet sich hier keine Squalline oder ein Bow aus, sondern man sieht die Entwicklung einer markanten Einzelzelle, eingebettet in einem Zellenverband. Diese Zelle schert nach rechts aus, und ist assymmetrisch, das heißt sie hat am Südrand einen sehr starken Gradienten. das sind zumindest zwei von mehreren denkbaren Superzellenmerkmalen. Augenzeugen berichten von der Existenz einer Mesozyklone im Grenzgebiet Steiermark/Burgenland. Dagegen kann man aus Radarperspektive nichts einwenden, mehr ist allerdings auch nicht zu sagen.


Zusammenfassung: Das treibende Element der gestrigen schweren Gewitter war eine zunächst harmlose, sich in Rotation befindliche Struktur im Bereich einer großräumig zyklonalen Höhenströmung. Eingebettet in diese war ein Vorticitymaximum (zu sehen am roten Klecks über Österreich)


An der Struktur bildeten sich rasch ausflussgetriebene Gewitter, die beim Übertritt ins Flachland Strukturen eines Bow-Echos mit markanter Böenfront ausbildeten. An der Periferie dieser Böenline bildete sich zumindest ein Typ2 Tornado nahe Müllendorf, die Zelle brachte orkanartige Böen und teils extremen Starkregen, der aber meist nur kurz anhielt und somit lokal keine Messwerte über 30mm/h vorliegen. Am Kommaschwanz bildeten sich im weiteren Tagesverlauf nochmals teils kräftige Gewitter im Südosten, einzelne Zellen davon mit Superzellenmerkmalen. Am Boden war diese Kommastörung mit dem Fortschreiten eine ausgeprägten Windkonvergenzlinie verbunden:



Wobei es hier keine Henne-Ei Diskussion gibt, was was auslöst.. Boden- und Höhenphänomen sind gekoppelt und gehören zu einander...

Ein Kommentar zur Vorhersagbarkeit: Das Potential für schwere Gewitter im Oschten war sagen wir 24h im Voraus abzusehen, da viele Modelle in ihren Freitagsläufen schon starke Indizien für eine bodennahe Konvergenzlinie weit vor der Front andeuteten. Welche Strukturen und vor allem wo sich diese ausbilden werden, das bleibt ein Frage, die im Rahmen der Künste des Nowcastings zu beantworten ist.

Lg


Manfred

5 Kommentare:

  1. Sehr Umfangreich aufgelöst das ganze, Danke dafür

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  2. Doch ein Tornado in Müllendorf. Schaue hier in Stockholm als Müllendorfer deinen Wetterbericht mit Interesse an. Danke für diese wertvolle Information.

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  3. Bitte gerne...

    Mir ist als heimlicher Burgenländer Müllendorf in lebhafter Erinnerung. Immer wenn ich mit dem Zug zu meinen Eltern nach Ritzing gefahren bin, ist die ROEE genau bei Müllendorf immer besonders langsam gefahren (Kurven) und auch ewig lang in der Station stehen geblieben :)

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  4. Kam über Standard.at hierher. War ein echter Tornado, ersten Bodenkontakt hatte er auf der A3 als ich gerade durchfuhr. Eindrucksvoll!

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  5. @ Ano.. Glückwunsch aus meiner Sicht, Beileid vielleicht aus Deiner... hätte gerne getauscht :) Ich hab erst einen einzigen Tornado gesehen.. und das ist schon 8 Jahre her...

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Da kenntat ja jeder kumman ...! Dennoch ... Hier ist Platz dafür :) !