Montag, 1. März 2010

Warum war *Xynthia* so gefährlich ?

Hallo,


Xynthia aktuell



Eine kleine Nachbetrachtung des Orkantiefs Xynthia ist schon angebracht. Wie aus den Nachrichten zu entnehmen war, hat Xynthia die meisten Todesopfer in Frankreich gefordert, aber auch in Deutschland kamen Menschen ums Leben. In meinen Vorposts hatte ich mich aufgrund der ungewöhnlichen Vorgeschichte und des extraordinären Lebensweges von Xynthia als ein Kind tropischer Gewässer auf die Iberische Halbinsel konzentriert, aber auch danach war Xynthias Wirken längst noch nicht vorbei. Den Höhepunkt ihrer Entwicklung hatte das Tief zweifellos an der Nordwestspitze von Spanien erreicht, dort war der Kerndurck am tiefsten und der Okklusionsprozess war in vollem Gange. Okklusionsprozess heißt, dass die atlantische (polare) Kaltluft von der Rücksseite des Tiefs schon vorderseitig in Südwest- bis Südströmung um den Kern gewirbelt wurde.

Das gefährliche an der Situation war nun, dass gerade im Bereich dieser labilen Kaltluft an der Südflanke des Tiefkernes die Isobaren bzw. Isohypsendrängung am stärksten war, hier also in der freien Atmosphäre die grössten Windgeschwindigkeiten auftraten. Das macht z.B den Unterschied zu Kyrill aus, hier traten die grössten Windgeschwindigkeiten im Bereich der relativ stabil geschichteten Warmluft auf. Stabil oder labil sagt etwas über den vertialen Impulstransport aus. In labiler Schichtung können Luftelemente sehr leicht vertikal versetzt werden, von oben nach unten oder von unten nach oben (Konvektion). Bei dieser vertikalen Versetzung nehmen Luftelemente ihren Impuls, also ihre (horizontale) Geschwindigkeit mit.

Unter der Annahme dass die Windgeschwindigkeit mit der Höhe zunimmt, erklärt eigentlich nur dieses Heruntermischen *schneller* Höhenluft die Orkanböen am Boden, denn der Bodendruckgradient allein war zum Zeitpunkt des Eintreffens über Deutschland nicht mehr allzu stark. In der Höhe herrschten z.B im 850 hPa Niveau Mittelwindgeschwindkeiten bis 75 knoten, teils etwas darüber.. das sind um bis zu 20 Knoten weniger als bei Kyrill. 75 Knoten kommen im Winter immer mal vor und führen selten zu diesen argen Böen am Boden. Treten die 75 knoten aber in labiler Kaltluft auf, so macht es diese umso gefährlicher, eben aufgrund des möglichen vertikalen Versatzes. Ein Aspekt, der maßgeblich auf die Labilität im Kernbereich von Xynthia durchgeschlagen hat, ist die Genese und die Herkunft des Orkans vom südlichen Mittelatlantik. Man wird in der Geschichte der Europäischen Orkantiefs lange zurückblättern müssen, um ein ähnlich intensives Tief zu finden, das eine Zugbahn knapp von nördlich der Kanaren hin in unsere Gefilde hatte.

Es ist dabei nur allzu verständlich, dass dadurch ungewöhnlich warme und energiereiche Luftmassen in die Zirkulation des Tiefs mit einbezogen waren, die Einbeziehung polarer Luftmassen an der Rückseite des Tiefs war dann maßgeblich für die hohe Labilität im Kernbereich.

Österreich erwischte die Xynthia zum Glück nur noch als vergleichsweise laues Lüfterl.. allerdings läutete sie wie schon angekündigt eine Wetterumstellung im lauf der kommenden Tage ein, das darauf hinauslaufen kann, dass wir ab Donnerstag auch im Flachland wieder Eiskratzer und Schneebesen brauchen werden. mehr dazu vielleicht etwas später.

Lg

Manfred

2 Kommentare:

  1. Ich habe dazu eine etwas andere Sichtweise (basierend auf eine Diskussion im britischen Ukweatherworldforum

    http://www.ukweatherworld.co.uk/forum/forums/thread-view.asp?tid=35509&start=26&posts=35

    Auffallend ist in den Satellitenbildern (z.B. Eumetsat RGB) die starke Verdunstung des Cloudheads an der Spitze der Okklusion (im UKWW stimmt man darüber ein, dass es sich um eine klassische Shapiro-Keyser-Zyklogenese gehandelt hat, mit dominantem Okk/WF-System und nahezu inaktiver Kaltfront). Dies entspricht mesoskalig einem "sting jet", siehe z.B.

    http://www.met.rdg.ac.uk/~sws07om/publications/sting_jets_EMS08.ppt

    Notwendig ist die Freisetzung von conditional symmetric instability (CSI), die zur Erwärmung der Cloud Tops führt.

    Was diese These stützt ist, dass die Spitzenböen im Saarland (110-130 km/h) ausschließlich mit dem Überqueren des sich erwärmenden Wolkenfelds der Okklusion aufgetreten sind.

    siehe auch den Loop im RGB-Satbild:

    http://oiswww.eumetsat.org/IPPS/html/MSG/RGB/AIRMASS/CENTRALEUROPE/index.htm

    Ich muss allerdings gestehen, dass ich mich mit CSI nicht sonderlich gut auskenne.

    Gruß,
    F.W.

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  2. Hi Felix,

    ich sehe den Widerspruch nicht ;) Ich führs mal aus: Das Shapiro Keyser Modell findet hier sicher Anwendung, Form, Geschichte, Genese. Die ursprüngliche Störung kam ja von *hinten* rein (östlich Kuba), dem entsprechend in den right entrance. Was ich ich deskriptiv und nicht kausal dargestellt habe (low level wind max südlich des Kerns, gleichzeitig Labilität), wird in der von dir verlinkten ppt konzeptionell bzw kausal dargestellt. (also warum das genau dort auftritt). Ich persönlich finde dieses shapiro-keyser (konzeptionelle) Modell sehr erbaulich, obwohl ich erst seit 2 Wochen davon weiß. Dennoch, und dabei bleibe ich: There is more to Xynthia than Shapiro-Keyser. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte jede Shpk-Zyklone einmal (fast) Tropenluft geschnuppert. das sage ich wiederum nur beschreibend und nicht kausal. Obwohl, dass muss ich auch sagen, die Kausalität in der von dir verlinkten Fallstudie nicht wirklich bißfest ist, sondern mehr eine Erklärungsversuch darstellt.

    Lg

    Manfred

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