Freitag, 8. Oktober 2010

Die 1000 Gesichter des Föhns

Hallo,
angesichts des ruhigen und auch meist traumhaft schönen Herbstwetters, das keines gebloggten Kommentars bedarf, ein Rückgriff auf einen rezenten Kommentar von mir, der besagte, dass es *DEN* Föhn gar nicht gibt. genauso wie es (den/das ??) *Curry* nicht gibt. Der Föhn steht, und das kam vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten immer mehr zum Vorschein, für ein Bündel an verschiedenen Gebirgswinden, genauso wie Curry nur Sauce/Gewürz heißt und ganz unterschiedlich schmecken kann.

Schon allein im kleinen Österreich zeigt der Sammelbegriff Föhn sehr viele Unterkategorien, die maßgeblich von der orografischen Gegebenheit der Orte, an denen diese auftreten, abhängen. Der Berg schnitzt der Luft also den jeweiligen Föhn ins Gesicht.



Credits: Axel Henning, topwetter.de

Der kalte:

Eine berühmte Variante des Föhns tritt im Raum Innsbruck auf. In der Hauptstadt des heiligen Landes kommt einiges an landschaftlichen Besonderheiten zusammen: Ein markantes Quertal trifft von Süden auf das nicht minder markante Inntal. Im Treffpunkt von Wipp- und Inntal weitet sich der gemeinsame Talkessel gegenüber dem Talquerschnitt innauf- und abwärts. Weiters ist der am südlichen Talabschluss des Wipptals gelegene Brennersattel der tiefste Einschnitt in den Alpenhauptkamm weit und breit. Nirgendwo sonst muss man derart wenig Energie aufbringen um vom Süden in den Norden oder umgekehrt zu kommen. Das gilt für LKW gleichermaßen wie für Luft.

Nun hat man als vorlaufende Bedingung im Herbst oder Winter oftmals kalte Nebelluft unter hohem Druck über Oberitalien liegen, während synoptisch bedingt der Druck in Bayern fallen kann. Die Suppe beginnt also dem Druckgefälle folgend nach Norden entlang der Eisack zu wandern.

Schematisch sieht das so aus:



Das muss man ein bissl erklären: In Schwarz der Verlauf des Talbodens, Süden ist links. Wärmere Luft liegt zudem über Kalter wie Öl über Wasser. Nach erreichen des Scheitels gibt die kältere Luft katabatisch Gas, was noch logisch ist, deswegen nimmt ihre horizontale Dicke ab. Am Ende des Wipptales weitet sich der Talquerschnitt dramatisch. Was passiert da ?

Das hier:


Der Vergleich ist zulässig: Der Stauseespiegel ist der Kaltluftsee über Oberitalien, der Dammbruchkanal das Wipptal, vor dem Damm, das flache Land ist Innsbruck. Nach Verlassen des Dammbruchkanals tritt die Strömung ins Flache und weitet sich aus. Dabei sinkt der Wasser(Luft)stand nochmals, potentielle Energie wird in kinetische umgewandelt. Das scheinbare Paradoxon, dass die Strömung dort am schnellsten ist, wo der Übergang ins Flache abgeschlossen ist, nennt man Gap-Flow und kann man selbst an jeder Schieber-Schleuse beobachten (Man muss nicht auf einen Dammbruch warten).


Der Brutale:

Artverwandt, aber mit anderen Umständen ausgestattet ist das Windsystem an der Slowenisch-Kroatischen Adriaküste. Die Bora (kroatisch: Bura). Zur Ausgangssituation liegt über dem kroatischen Hinterland kalte Luft unter hohem Druck. (im Bild rechts)


Tieferer Druck über der warmen Adria sorgt für einen Druckgradienten, der die Kaltuft über das Küstengebirge zieht, auf voller Breite, nicht nur durch die Pässe und Scharten. Wiederum wird potentielle Energie in Geschwindigkeit umgewandelt, einen Kanal gibt es nicht und somit braucht man auch keine Weitung wie beim IBK-Föhn für die Brutalität der Bora hernziehen.



In der Skizze dargestellt (über dem Meer) das Überschlagen der schießenden Strömung, Ausbildung von Rotoren etc, was unter anderem die Gefährlichkeit der Bora auf dem Wasser ausmacht. 5 sekunden Ostwind mit 120 km/h im Mittel können von Westwind mit selber Stärke gefolgt werden, wenn ein Rotor vorhanden ist. So mancher Segler oder Fischer musste das schon mit seinem Leben bezahlen.

Der Nasse:

In manchen Föhntälern der Alpennordseite ist der Föhn nass. Jawoll. Föhn und starker Regen schließen einander auf der lokalen Skala nicht aus. Wir gehen ins Grenzgebiet zwischen Salzburg und Kärnten, ins Gasteinertal. Und sehen uns die Station Böckstein Ende November 2009 an:



Am ersten Föhntag ist der Föhn noch trocken: Teils stürmischer Südostwind bei sehr trockener Luft (Taupunkte weit unter 0 Grad, Lufttemperatur bei 9 Grad). Am Tag 2 setzt Regen ein, der Föhn wird dabei stärker. Der Regen fällt sogar recht stark mit Summen von 69mm/24h aus. Wir sehen dass die Taupunkte deutlich ansteigen, aber auch im stärksten Regen bis zu 4 Grad unter der Temperatur bleiben, was unüblich ist. Bei starkem Regen hat man fast immer eine Luftfeuchte von an die 100%.

Was passiert da ? Mein Kollege Felix hat das Phänomen in eine grazile Grafik verpackt:


Etwas stromab des Gasteinertales im Bereich von Mallnitz wird die feuchte Luft brutal gehoben und reichlich Niederschlag produziert. Im Kammniveau und oberhalb, wo der Regen/Schnee halt produziert wird, weht aber Südwind mit 150 km/h im Mittel, und der Orkan weht die enstehenden Niederschlagspartikel über den Alpenhauptkamm nach Norden, wo er dann in den Talschluss des Gasteinertales fällt. Zwar merkt man die beginnende föhnige Abtrocknung an der Taupunktsdifferenz von 4 Grad, das reicht aber bei weitem nicht aus um die enormen Regenmengen auch nur im Ansatz verdunsten zu lassen.


Der Fade:

DEN hab ich schon hier beschrieben, er kann z.B lokal für Hochnebelauflösung im flacheren Land sorgen.

Föhn als Allerweltsphänomen:

Überall wo sich Gebirge der Strömung in den Weg stellen oder sonst irgendwie mit ihr interagieren, gibt es Föhnwinderscheinungen, in Skandinavien, im Harz, in Grönland, in den USA, in Südamerika, Afrika, Australien und auf Fidji...

Schönen Freitag noch,

Lg

M.

3 Kommentare:

  1. Danke fürs "erklären".
    Sehr aufschlussreich.

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  2. Danke für deine Ausführungen!

    Ich wusste nicht, dass es Fön und gleichzeitig Regen gibt, ist aber schlussendlich ganz logisch.

    lg, Michael

    PS: Der Vergleich mit dem Dammbruch gefällt mir, macht das ganze irgendwie so bildlich. :)

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  3. Und wieder was gelernt :)
    Dank und schönes Wochenende!
    Sabine

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Da kenntat ja jeder kumman ...! Dennoch ... Hier ist Platz dafür :) !