Montag, 20. Dezember 2010

Relative Warmfront, absolute Kaltfront --- weiße Christnacht

Hallo,

es dürfte für Euch ein interessanter 24. Dezember werden, da es mittlerweile als fix gilt, dass nach dem noch fixeren Tauwetter von Dienstag bis Donnerstag die Temperaturen im Lauf des 24. so weit absinken, dass von West nach Ost fortschreitend die Schneefallgrenze in die Täler und Niederungen absinken wird. (und ja, Niederschläge wird es geben, vielleicht gar nicht zu knapp). Gemeinhin bezeichnet man das als eine Kaltfront .. so auch der Kollege der Zamg. Wir werden uns heute der Wahrheitsfindung widmen ...

Die Lage:


Österreich liegt bereits zur Gänze auf der warmen Seite der Frontalzone, in den Niederungen und vielen Tälern liegt noch eine dünne Kaltluftschicht, denn die dicke von gestern ist ziemlich erodiert worden, wie prognostiziert. An dem alten Tief über Spanien wird in Verbindung mit der nördlicheren Front in den den nächsten Stunden und Tagen ein sehr kräftiges Tief entstehen, das subtropische Warmluft, zumindest in der Höhe bis in den Norden Deutschlands schaufeln wird.


Dabei erlebt der entstehende Tiefdruckkomplex eine Zellteilung mit einem neuen Tiefdruckzentrum über der Iberischen Halbinsel, das sich zunehmend vom Erstief, da schon über Benelux, abnabelt. Die langgezogene Frontalzone ist von Spanien bis weit hinein nach Russland warmaktiv.

Ein Blick auf den dahinter liegenden Höhentrog:


Dieser hat eine recht kurze Wellenlänge und überschlagsmäßig kann man ableiten dass er deshalb progressiv nach Osten ziehen muss. Mit dem Trog zieht natürlich auch das frontogenetische Feld und das Forcing (Hebung) an seiner Vorderseite weiter nach Osten, und nimmt auch die Frontalzone auf seine Reise mit. Das ist aber insofern witzig, als dass es sich eindeutig um eine Warmfront handelt, die warme Luft im Osten von kalter im Westen trennt.  Noch krasser wird die Situation am 24. selbst:


Hier liegt die Warmfront bereits quer über Österreich. Ich habe übrigens bei der Frontenlegung die Möglichkeit der Entwicklung einer Zyklone vom Typ Shapiro-Keyser angedeutet, was durch die Form des Temperaturfeldes ganz gut gestützt wird... .. und bis zum Abend ist sie dann schon über Ungarn angelangt:

Fazit: Wir erleben also am 24. den Durchgang einer ausgeprägten Warmfront, begleitet von starker Abkühlung.

In einer Welt, in der mehr und mehr nur das Absolute zählt, ist das natürlich schwachsinnig. In der Meteorologie ganz und gar nicht. Luftmassengrenzen, also Fronten existieren in einer relativen Welt. Die Front weiß nicht, dass der Trog, der sie steuert gegenüber unserer fixen Position auf dem Erdball zieht. Die Warmfront im konkreten Fall schiebt Warmluft aus Osten gegen die Kaltluftmasse des Troges im Westen und gleitet relativ an dieser auf, diese Relativbewegung ist allerdings geringer als die Absolutbewegung des Troges nach Osten und in der Differenz siegt die Trogbewegung, was dazu führt, dass auch die Warmfront absolut nach Osten wandert.

Genau betrachtet geht also zu Weihnachten keinesfalls eine Kaltfront durch, denn diese ist ein unabänderlicher, stehender Begriff in der Meteorologie, sondern eben eine Warmfront. Um Klarheit zu schaffen, ich kritisiere den Bericht nicht, denn A) ist es für die meisten *Zeitungs* Leser irrelevant, einem normalen Redakteur nicht zumutbar und daher vertretbar, von Kaltfront zu sprechen. In der akademischen Diskussion aber nicht.

Denen, die sich weiße Weihnachten wünschen, wird diese Spitzfindigkeit egal sein. Ich würde davon ausgehen, dass wir gegen Mitternacht in so gut wie allen Landeshauptstädten (in den höheren Lagen und im Westen sowieso schon früher)  Schneefall haben werden, teils aber halt etwas batzert.

Noch etwas: Ich gehe anders als in dem Artikel nicht davon aus, dass uns am Mittwoch , speziell am Donnerstag im Nordosten eine Hochnebeldecke den Schnee *retten* wird. Zu stark ist die Advektion aus Süden. Ich gehe von Mischluft und ca 6-8 Grad auch im Oschten aus.


Lg

Manfred

12 Kommentare:

  1. Hallo!

    Zunächst mal ein dickes Dankeschön für die Möglichkeit an deinem Wissen teilhaben zu dürfen, obwohl ich gestehen muß, daß mir der akademische Teil deiner Ausführungen deutlich zu hoch ist und ich immer wieder zwischen den Zeilen Anhaltspunkte für Schneehöhen und Niederschlagswahrscheinlichkeit suche.
    Der Grund ist, daß wir hier in Graz ein Reinigungsunternehmen führen und der Winterdienst dabei eine der heikleren Aufgaben darstellt.
    Nun zu meinem eigentlichen Anliegen - bitte sei so gut und definiere "Schneefall in so gut wie allen Landeshauptstädten" am heiligen Abend.
    Ich hege die Hoffnung, daß Graz zu den Ausnahmen zählt, ansonsten müsste ich viele unserer Mitarbeiter aus dem südosteuropäischen Raum das Weihnachtsfest vermiesen...
    Danke nochmal und liebe Grüße
    Heimo

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Heimo,

    na ja zur Einsatzplanung für den Winterdienst ist mein Blog vielleicht immer geeignet :-) Entsprechen die derzeitigen Simulationen einigermaßen dem tatsächlichen Wetterablauf, kommt Graz so einigermaßen grün davon, weil es da am längsten dauert, bis die Kaltluft ankommt und somit das meiste als Regen fallen würde. Ein paar Flankerl nach Mitternacht sind aber schon dabei, dann hilft der Nordföhn, die Luft abzutrocknen. Ändert sich nichts grundlegendes, ist Weihnachten für deine Mitarbeiter *gerettet*. Aber: Keine Gewähr ;)

    Lg

    Manfred

    AntwortenLöschen
  3. Hallo!
    Danke für die schöne Analyse Manfred! Eine Warmfront die Abkühlung bringt kann man in den Medien wahrlich nur schwer verkaufen.
    Beim Hochnebel bin ich noch hin und her gerissen. Mit dem Südost am Boden und der leichten Erwärmung in der Höhe könnte es tatsächlich zugehen und dann bleiben. Lassen wir uns überraschen.

    lg Gerhard

    AntwortenLöschen
  4. Hallo Gerhard,

    ich glaub ja auch, dass früher oder später Hochnebel einfallen wird, hab mich vielleicht zu unklar ausgedrückt, denke aber gleichzeitig, dass wir unter dem Hochnebel oder Stratus Mischluft mit einigen Grad plus bekommen werden, die den Schnee zumindest im Innenstadtgebiet im Weinviertel, Burgenland, Industrieviertel etc bis Freitag Früh erfolgreich beseitigen wird. In den westlichen Außenbezirken kann von den 25, 30cm nach meiner revidierten Meinung schon ein bissl was überleben.

    Eigentlich erstaunlich, dass es bis jetzt kaum H-Nebel gegeben hat, es mag daran liegen: http://tinyurl.com/3az23x3

    Die Inversion ist zwar extrem, aber auch extrem dünn, die Obergrenze müsste m.E nach deutlich ansteigen ... z.B durch Advektion oder Hebung... mal schauen wie das nächste Sounding aussieht

    Lg

    Manfred

    AntwortenLöschen
  5. Hallo Manfred,

    Sorry, hier muss ich wieder einmal widersprechen und den "Kollegen der ZAMG" ;) in Schutz nehmen! Für die Analyse von Wetterkarten ist die "absolute Welt" (also in Bezug zur Erdoberfläche) relevant, nicht die "relative Welt" (also in Bezug zur atmosphärischen Grundströmung). Eine Front ist eindeutig nach jener Luftmasse definiert, die in Bodennähe in der "absoluten Welt" vordringt. Wenn es in der Höhe zu relativem Aufgleiten der Warmfront auf den Kaltluftkeil kommt, aber am Boden noch immer die Kaltluft vordringt, dann ist das noch immer eine Kaltfront, genauer gesagt: eine Ana-Kaltfront. Und selbst wenn das Aufgleiten der Warmluft in der Höhe sogar *absolut* passiert, dann würde das Vordringen von Kaltluft in Bodennähe noch immer eine Kaltfront rechtfertigen, obwohl sich bei solchen entkoppelten Fronten zugegebenermaßen irgendwann eine vernünftige synoptische Analyse aufhört.
    Im vorliegenden Fall steht das Vordringen der Kaltluft in Form einer Ana-Kaltfront aber außer Zweifel, wie du selber geschrieben hast. Dein und mein ehemaliger Synoptik-Professor hätte dir eine Analyse, in der eine Warmfront rückwärts wandert, um die Ohren geschmissen! ;)

    Ansonsten großen Respekt vor deinen jüngsten Beiträgen, die die derzeit laufende, spannende Wetterentwicklung sehr schön und verlässlich vorgezeichnet haben.

    Bezüglich des Nebels bisher:
    Vermutlich hat eine Kombination aus der sehr geringen Tiefe des Kaltluftsees (wie von dir schon geschrieben) und aus Reifbildung an der Schneedecke dazu geführt, dass die vergangene Nacht wider Erwarten noch nebelfrei blieb. Da der Sättigungsdampfdruck der Luft über Eis (sprich: über der Schneedecke) geringer ist als über Wasser, fällt also bereits Reif an der Schneeoberfläche aus, bevor es zu Kondensation und Nebelbildung in der Luft kommt. Bei einer frischen Pulverschneedecke mit filigraner Oberfläche funktioniert das sehr effizient, sodass bei Anbruch einer klaren Nacht Temperatur und Taupunkt oft fast parallel in die Tiefe rauschen, ohne dass es zu Nebelbildung kommen muss. Inzwischen ist die Schneedecke im Wiener Raum zwar etwas gealtert, aber durch das geringe Luftvolumen des seichten Kaltluftsees (sogar die Jubiläumswarte hatte ja die ganze Nacht Westwind und deutliche Plusgrade) waren die Reifbildung und der damit verbundene Entzug von Luftfeuchtigkeit wohl noch immer ausreichend zur Unterdrückung der Nebelbildung. Bei einem tieferen, voluminöseren Kaltluftsee hätte dieser Effekt keine wesentliche Rolle mehr gespielt.
    Am Vormittag ist nun doch noch von Südosten eine dichte Nebelsuppe hereingeschwappt, seit der Wind auch oberhalb der Inversion wieder von West auf Südost zurückgedreht hat und den Kaltluftsee gegen den Wienerwald drückt. Jetzt ist also wieder alles im Plan. ;)

    Bezüglich weißer Weihnachten:
    Bis inklusive übermorgen (23.12.) Vormittag mache ich mir noch keine Sorgen um den Kaltluftsee, selbst wenn die Temperatur und der Taupunkt durch Diffusion langsam knapp über 0°C steigen werden. Ich stimme dir allerdings zu, dass danach der Anstrom der Warmluft vom Adriaraum zu stark werden wird. Meiner Meinung nach wird die Warmluft bis zum Abend des 23.12. in Schwechat durchbrechen, im Verlauf der folgenden Nacht dann auch im Westen Wiens, auch wenn die eine oder andere "Vortex-vindobonensis"-Entwicklung hier für mehrstündige Verzögerungen sorgen kann. Damit wäre Wien den ganzen 24.12. in der feuchten Warmluft mit Temperaturen bis 8°C, Taupunkten nahe 5°C, spürbarem Südostwind und zeitweisem Regen. Ich denke, dass selbst im begünstigten Westen Wiens also bis zum Heiligen Abend nur noch Schneereste, aber keine geschlossene Schneedecke mehr überleben werden.

    Extrem spannende Entwicklung jedenfalls, fast identisch wie vor einem Jahr (wenn auch von den Temperaturgegensätzen schwächer) und nur mit einem Tag Phasenverschiebung - damals ist der stärkste Warmluftschub vom 24. auf den 25.12. erfolgt, diesmal einen Tag früher.

    Georg

    AntwortenLöschen
  6. Hallo Georg,

    ich liebe unsere kleinen Dispute ;) Jedenfalls, ich widerspreche in freundlichster Heftigkeit (Punkt 1), Punkt 2 Zustimmung im Reinkultur, wobei der heutige Advektionsnebel eines eigenen Posts bedürfte... Zu Punkt 1: Ich verstehe deine Argumentation überhaupt nicht. Schon in der Margules-Theorie wird die Frontfläche über die Relativbewegung der unterschiedlichen Luftmassen zueinander definiert. Die Absolutbewegung der Front wiederum entsteht dann durch den überlagerten *Grundstrom*, der in in dem Fall durch die Verlagerung der steuernden Tröge und Keile gegegen ist. In der BoWeKa führt schon allein die Tae Analyse und die Richtung des Druckgradienten dazu, dass zwingend eine Warmfront einzuzeichnen ist. Würde ich ausgehend vom Tief im Süden eine Kaltfront einzeichnen müssen, würden mir vor Ekel und Widerwillen die Finger abfallen :D. Und wenn du unseren Synop-Professor ansprichst, da fühle ich mich durch eine glückliche Fügung des Schicksals auf der ganz sicheren Seite :-). Ich hatte im Dez. 1997, muss so um den 3. gewesen sein, witzigerweise bei der WB eine sehr ähnliche Situation zu analysieren. http://www.wetterzentrale.de/pics/archive/ra2/1997/Rrea1997120300.gif . Tief im Süden, kalt im Westen warm im Osten, dem entsprechend eine WF quer über die Alpen nach Norden. Seine Frage: Wie kann es sein, dass es zwar eine WF ist, diese aber morgen über Ungarn liegen wird: Meine (damals Richtige) Antwort: Die Relativbewegung macht's aus, dass die WF dennoch nach Osten geht. In meinem Verständnis stützen sich auch viele Betrachtungen in der modernen SatMet auf die relativen Betrachtungen der Systeme (relative Ströme etc.pp) und als weiteres Analogon kann man generell Newtonsche Mechanik in Inertialsystemen heranziehen, wo es für sämtliche Bewegungen egal ist, ob dem System eine gleichförmige, unbeschleunigte Bewegung des Systems an sich überlagert ist oder nicht.

    Ich hoff das überzeugt ein wenig,

    sonst Lg

    Manfred

    AntwortenLöschen
  7. Ich musste es für Blogger etwas kürzen, und in der Zwischenzeit ist mir der Kern des Pudels, in dem Fall des Auffassungsunterschiedes klarer geworden..
    Ich habe hier ein recht ganzheitliches oder generalisiertes Bild einer Front zu Grunde gelegt, die sich aus den Relativbewegungen heraus resultierend auch im Wolkenbild etc. äußern wird, du stellst dich auf den Standpunkt, was man am Boden beobachten wird. Ich denke aber, dass man vom Boden aus zu wenig sieht, analog zum Hawking-Flachländer (2D), dem nie gewahr werden wird, was 3 Dimensionen sind.

    Und, damits ganz klar wird... ich hab den Gerhard ja nicht kritisiert, sondern gemeint, dass diese Relativität sicher eine Klasse zu hoch für Informationsmedien ist und mans chon von einer Medien-Kaltfront sprechen kann.

    Sense für heute ;)

    Lg
    Manfred

    AntwortenLöschen
  8. Hallo,

    ich würde an dieser Stelle auch ganz klar georg p. recht geben. Wenn die Kaltfront bodennah nach Osten vorankommt ist (egal wie dazu die Höhenwarmluft nach Westen aufgleitet) eine Kaltront, eben in diesem Falle eine Ana-Kaltfront, einzuzeichnen. Der Konsument (und für den sollten die Meteorologen ja in erster Linie ihre Prognosen erstellen) würde ja nie verstehen, warum es beim Durchzug einer Warmfront um beinahe 10 Grad kälter wird.

    Bei der Legung deiner Bodenfronten solltest du übrigens bisschen mehr aufpassen. Du gehst vom höheren zum niedrigeren Bodendruck, ohne das Vorzeichen (sprich von Warm zu Kalt oder umgekehrt) zu wechseln. Das ist m.E. so nicht in Ordnung...

    Gruß!

    AntwortenLöschen
  9. Um mein statement von vorher zu präzisieren: eine Front kann nicht Warmfront "bleiben" wenn du sie (wie u.a. in deiner 2.Grafik) von tiefem zu höherem und anschließend wieder hin zu tieferem Druck zeichnst... Hier müsste man auf Höhe des Bodenkeils nach Norden hin zu einer kaltaktiven Front wechseln.

    AntwortenLöschen
  10. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
  11. i don't agree, but it's ok...

    AntwortenLöschen
  12. i don't get it .. i did that ..

    um's zu präzisieren.. ich weiß schon was du meinst .. aber ich verwende nicht Stunden in einem simplen Paintpogramm um die Front EXAKT in eine imaginäre Tiefdruckrinne zu legen, die noch dazu simuliert ist. Eine Diskussion auf der lokalen Skala erübrigt sich ob des verwendeten Modells. Es geht nur um Idee und das übergeordnete *Ganze* ... Veritas v.s Korinthen ..

    Lg

    Manfred

    AntwortenLöschen

Da kenntat ja jeder kumman ...! Dennoch ... Hier ist Platz dafür :) !